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Migration & Sucht

Krieg, Diskriminierung, Gewalt und Verfolgung sowie wirtschaftliche und soziale Perspektivlosigkeit führen dazu, dass sich immer mehr Menschen auf eine oft lebensbedrohliche Flucht begeben. Vor allem aus den Krisenregionen in Afrika und dem Nahen Osten versuchen viele über das Mittelmeer nach Europa zu gelangen – oft verlieren sie dabei ihr Leben. 2010 kamen noch rund 10.000 Menschen über das Mittelmeer nach Europa, 2014 waren es bereits 218.000 und für 2015 rechnete die EU-Grenzschutzagentur Frontex zwischen 500.000 und einer Million.

Hintergrund

Nach der Flucht ist das Erlebte für viele nur schwer zu verarbeiten. Traumatische Erlebnisse in der Heimat und auf der Flucht, müssen bewätigt werden, ebenso der Verlust von Familie, Freunden und allem Vertrauten, sowie eine ungewisse Zukunft in einem fremden Land, mit einer fremde Sprache und Kultur. Der Zusammenhang zwischen einer Traumatisierung und einer Suchterkrankung ist lange bekannt. Aber was passiert bei mehrfacher Traumatisierung? Die Erfahrung in der Arbeit mit Flüchtlingen zeigt, dass die besonders belastende Lebenssituation dieser Menschen auch eine Suchterkrankung fördern kann. Unsere Erfahrungen aus EU-Projekten weisen darauf hin, dass besonders junge Männer, die ihr Land ohne ihre Familie verlassen mussten, gefährdet sind. Das professionelle Suchthilfesystem steht im Umgang mit Flüchtlingen vor besonderen Herausforderungen: Sprachbarrieren, ein kulturell bedingt unterschiedliches Krankheitsverständnis, ein für die Betroffenen unbekanntes, komplexes Gesundheitssystem und viele existenzielle Probleme überlagern Suchtprobleme und erschweren effektive Hilfe.

Migration und Gesundheit

Menschen, die migrieren, gehen Risiken ein und haben oft traumatisierende Erfahrungen hinter sich. Im Zielland sind sie überdurchschnittlich häufig in sozioökonomischer Hinsicht benachteiligt. Vermutet wird deshalb, dass Migration mit Gesundheitsrisiken einhergeht. Migration an sich ist aber weder gesundheitsschädlich noch gesundheitsförderlich. Eine allgemein gültige Aussage zur besonderen Gesundheitsbelastung kann aktuell aufgrund fehlender Forschungsarbeiten noch nicht getätigt werden.

Migration und Suchtgefährdung

Untersuchungen zeigen, dass der unterstützende Familienzusammenhalt protektiv wirkt, während alleinstehende, aus fremden Kulturkreisen zugewanderte Männer überdurchschnittlich oft suchtgefährdet sind. Besteht eine große Diskrepanz zwischen einem strengen Elternhaus und der freiheitlichen deutschen Gesellschaft, sind auch in der Familie lebende jugendliche Migrant:innen gefährdet. Epidemiologische Zahlen zur generellen Suchtbelastung liegen jedoch noch nicht vor. 

Migration im Suchthilfesystem

Laut Deutscher Suchthilfestatistik hatten 2012 16,4% der Hilfesuchenden in der ambulanten Suchthilfe und 11,9% in der stationären Rehabilitation einen Migrationshintergrund. Durch die Steigerung des Anteils der Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland wird sich auch der Anteil der Menschen erhöhen, die die Unterstützung der Suchthilfe benötigen.

Migration im Suchthilfealltag

Kultursensible Suchtarbeit benötigt folgende Kompetenzen: 

  • Die Fähigkeit, von eigenen sozio-kulturellen Bedingtheiten zu abstrahieren,
  • die Bereitschaft, in der Begegnung mit dem „Fremden“ sich selbst zu erfahren,
  • die Möglichkeit, die eigenen Konzepte, Vorstellungen, scheinbar klaren fachlichen Standpunkte usw. zu hinterfragen.

Kultursensibilität ist eine generelle Erweiterung menschlicher und professioneller Kompetenzen.

Die Projekte

Suchtprävention für und mit Menschen mit Fluchthintergrund in NRW

Das von dem Landesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales gefördete Projekt erfolgt an fünf Modellstandorten in NRW. Das Projekt richtet sich an Heranwachsende und junge Erwachsene mit Fluchthintergrund.
FreD dient dabei als Leitidee, um präventiv und pädagogisch auf die Zielgruppe einzuwirken.


 

search - Suchtprävention für Flüchtlinge, Asylsuchenden und illegale Einwanderer

Die Projekte "search" und "search II" widmeten sich auf europäischer Ebene der Suchtprävention für die Gruppe der Flüchtlinge, der Asylsuchenden und der illegalen Einwanderer. Beteiligt waren Organisationen und Fachstellen der Suchthilfe aus zunächst sechs, später aus zwölf europäischen Ländern. Prozesse, Ergebnisse, Erfahrungen und Methoden der suchtpräventiven Arbeit sollten verglichen und gemeinsames Wissen entwickelt werden.

Das Projekt "search" erfüllte v.a. eine Vernetzungsfunktion für den  Transfer von Informations- und Methodenwissen zwischen den sechs beteiligten Projektpartnern. Die Hauptaktivität bestand zunächst vor allem in der Eingrenzung der zu untersuchenden sozialen Gruppen. In einem weiteren Schritt ging es um die Gewinnung von Erkenntnissen zur Suchtbelastung innerhalb dieser Gruppen, um schließlich passende Vorbeugungs- und Hilfsangebote zu entwickeln und umzusetzen.

Im nahtlos anschließenden Projekt "search II" wurden sechs weitere Projektpartner einbezogen und in der Methode des Rapid Assesment and Response-RAR geschult. Regionale Netzwerke und Arbeitsbündnisse wurden installiert. Die RAR-Methode wurde nun vor allem als Monitoring-Instrument eingesetzt, also um die angelaufenen Maßnahmen zu evaluieren und weiter zu entwickeln.


 

SeM - Sekundäre Suchtprävention im Mehrebenenansatz für ausgesiedelte Jugendliche

Das Projekt "SeM" strebte die Erprobung von Konzepten und Methoden an, spätausgesiedelte junge Menschen in Münster, die riskant Alkohol oder „weiche“ Drogen konsumieren, vor einem Abgleiten in manifeste Abhängigkeiten zu bewahren.

Die Interventionen erfolgten in einem Mehrebenenansatz. Neben den Jugendlichen wurden auch deren Eltern und Angehörige sowie wichtige Schlüsselpersonen aus ihrem Umfeld in den Blick genommen. Um den Zugang zu den ausgesiedelten Jugendlichen zu erreichen, wurden Streetworker:innen mit gleichem kulturellem Hintergrund eingesetzt.


 

Kultursensible Arbeit in der Suchthilfe

Im Dezember 2013 wurde in den Städten Dortmund und Erfurt jeweils ein Fachtag passend zum Thema für das interessierte Fachpublikum angeboten.